Der Erfolg eines Unternehmens basiert nicht nur auf Innovation und Strategie, sondern vor allem auch auf einem reibungslos funktionierenden Tagesgeschäft. Damit dies gelingt, müssen Kompetenzen klar geregelt und delegiert sein. Hier kommt die Handlungsvollmacht ins Spiel: Sie ermöglicht es, operative Entscheidungen effizient auf mehrere Schultern zu verteilen. Dieser Artikel erklärt, was genau eine Handlungsvollmacht ist, welche Arten es gibt, wie sie erteilt wird, wann sie erlischt und worin die Unterschiede zur Prokura liegen. Zudem enthält er praktische Hinweise zur Unterschriftenregelung und Integration in den Arbeitsvertrag.
„Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme bestimmter zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt.“ (§ 54 HGB)
Dieser Wortlaut bildet die gesetzliche Grundlage der Handlungsvollmacht. In der Praxis bedeutet das: Eine Person, der eine Handlungsvollmacht erteilt wurde, darf typische Geschäftsvorgänge selbstständig ausführen – etwa Bestellungen tätigen, Verträge vorbereiten oder operative Entscheidungen treffen. Was genau darunter fällt, hängt davon ab, welche Art von Handlungsvollmacht vorliegt – ob sie für alle üblichen Aufgaben gilt, auf eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt ist oder sich nur auf ein einzelnes Geschäft bezieht.
Folgende Arten der Handlungsvollmacht lassen sich unterscheiden. Eine detaillierte Beschreibung dieser Vollmachtarten mit Beispielen befindet sich im anschließenden Kapitel.
Die gesetzliche Grundlage ist § 54 HGB. Wichtig zu wissen: Eine Handlungsvollmacht ist nicht im Handelsregister eintragungspflichtig.
Die Handlungsvollmacht dient dem Zweck, betriebliche Abläufe effizient zu gestalten. Dadurch können Entscheidungsprozesse beschleunigt, Rückfragen minimiert und interne Ressourcen gezielter eingesetzt werden. Sie umfasst gewöhnliche Geschäfte des Unternehmens – darunter fallen beispielsweise der Einkauf, Vertragsabschlüsse oder organisatorische Aufgaben.
Ausgenommen sind jedoch:
Einschränkungen der Vollmacht gelten gegenüber Dritten nur, wenn sie diese kannten oder kennen mussten. Das heißt: Nur wenn Geschäftspartner über die internen Begrenzungen informiert waren oder sie diese klar erkennen konnten, sind die Einschränkungen für sie auch rechtlich bindend.
Auch bedeutende Geschäfte können unter die Handlungsvollmacht fallen, sofern sie im jeweiligen Betrieb üblich sind. Als bedeutend gelten dabei wirtschaftlich oder rechtlich weitreichende Entscheidungen – etwa größere Vertragsabschlüsse, Bestellungen mit hohem finanziellen Volumen oder längerfristige Verpflichtungen. Entscheidend ist, ob solche Geschäfte zum typischen Aufgabenbereich der bevollmächtigten Person gehören und im jeweiligen Unternehmen regelmäßig vorkommen.
Handelt der Bevollmächtigte im Rahmen seiner Vollmacht, so verpflichtet und berechtigt er damit den Unternehmer. Dieser haftet gemäß § 278, § 831 BGB für das Handeln seines Bevollmächtigten. Wird der Umfang der Vollmacht überschritten, haftet auch der Geschäftspartner – sofern er erkennen konnte oder musste, dass der Bevollmächtigte unbefugt gehandelt hat. Eigenmächtiges Handeln kann zur persönlichen Haftung des Bevollmächtigten führen.
Die allgemeine Handlungsvollmacht, auch Generalhandlungsvollmacht genannt, berechtigt zu allen gewöhnlichen Geschäften, die im Rahmen des gesamten Handelsgewerbes anfallen. Sie ist die umfassendste Form der Handlungsvollmacht und wird typischerweise an leitende Angestellte vergeben, die regelmäßig operative Entscheidungen treffen müssen – etwa Abteilungsleiter, Einkaufsverantwortliche, Bereichsleiter oder Projektverantwortliche mit Budgetkompetenz. Ein solcher Bevollmächtigter kann z. B. Verträge mit Kunden oder Lieferanten abschließen, Personal einstellen oder interne Prozesse steuern – alles, was zum normalen Geschäftsbetrieb gehört. Die Erteilung dieser Vollmacht bietet Unternehmen den Vorteil, dass zentrale Mitarbeitende ihren Aufgabenbereich eigenständig und im Rahmen definierter Befugnisse ausführen können, ohne für jede Entscheidung eine gesonderte Genehmigung einholen zu müssen.
Beispiel: Ein Einkaufsleiter darf Rahmenverträge mit Lieferanten abschließen.
Die Arthandlungsvollmacht – auch Artvollmacht genannt – beschränkt sich auf eine bestimmte Art von Geschäften, die für das Unternehmen typisch sind. Sie eignet sich besonders für spezialisierte Rollen, wie z. B. Einkaufs-, Vertriebs- oder Buchhaltungsmitarbeiter. Die betroffene Person darf im Rahmen ihrer Vollmacht eigenständig handeln, z. B. Aufträge auslösen oder Rechnungen freigeben. Diese Form der Vollmacht ermöglicht eine klare und gezielte Delegation von Verantwortung und trägt zur Effizienzsteigerung bei. Gleichzeitig wird das Haftungsrisiko reduziert, da die Vollmacht auf einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich begrenzt ist.
Beispiel: Ein Mitarbeiter im Vertrieb erhält eine Artvollmacht für alle Verkaufsverträge.
Die Spezial- oder Einzelvollmacht gilt ausschließlich für ein bestimmtes, einmaliges Geschäft. Sie wird häufig in besonderen Situationen vergeben, beispielsweise wenn eine sonst nicht bevollmächtigte Person in Vertretung eine einzelne Transaktion durchführen soll. Diese Art der Vollmacht ist besonders nützlich, wenn die Handlung klar definierbar und nicht wiederkehrend ist. Ihre Vergabe erfolgt meist schriftlich, um Klarheit über den Umfang und die Gültigkeit zu schaffen. Die enge Begrenzung auf ein einzelnes Geschäft minimiert das Risiko von Missverständnissen oder unbefugtem Handeln.
Beispiel: Ein Assistent darf einmalig einen Leasingvertrag unterzeichnen.
Eine Untervollmacht beschreibt die Ermächtigung eines Bevollmächtigten, die ihm übertragene Vollmacht wiederum ganz oder teilweise auf eine andere Person zu übertragen. Im Rahmen der Handlungsvollmacht ist dies grundsätzlich nicht zulässig – es sei denn, der ursprüngliche Vollmachtgeber stimmt ausdrücklich und nachweislich zu. Die Regelung dient dem Schutz des Unternehmens, da so sichergestellt wird, dass nur autorisierte Personen mit festgelegter Kompetenz handeln. Ohne eine solche Zustimmung wären mögliche Erklärungen oder Handlungen durch einen Unterbevollmächtigten rechtlich nicht wirksam und könnten zu Haftungsfragen führen.
Die Erteilung einer Handlungsvollmacht ist ein formaler Akt, der sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. In der Regel wird sie von Geschäftsführern, Inhabern oder Prokuristen vergeben. Diese Personen verfügen über die entsprechende Befugnis, andere im Namen des Unternehmens zu bevollmächtigen. Entscheidend ist, dass der Handlungsbevollmächtigte über seinen Aufgabenbereich und die rechtlichen Befugnisse genau informiert ist. Die Handlungsvollmacht kann ausdrücklich, also direkt kommuniziert, oder konkludent – also durch schlüssiges Verhalten – erteilt werden.
Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt sich die schriftliche Form, idealerweise als Bestandteil des Arbeitsvertrags oder in Form einer separaten Vollmachtsurkunde. So lassen sich Umfang, Art und Dauer der Vollmacht eindeutig festhalten. Das schafft Transparenz für alle Beteiligten.
In Sonderfällen kann es zur sogenannten Duldungs- oder Anscheinsvollmacht kommen. Diese liegt vor, wenn ein Unternehmen es über längere Zeit duldet, dass ein Mitarbeiter als Bevollmächtigter auftritt – oder wenn die Organisation fahrlässig Strukturen schafft, die den Anschein einer Vollmacht erwecken. In beiden Fällen wird der gute Glaube des Geschäftspartners geschützt, und das Unternehmen muss sich die Handlung zurechnen lassen.
Es gibt viele verschiedene Unterschriftenregelungen im Unternehmenskontext (z. B. bei interner Vertretung oder externen Vollmachten). Bei Handlungsvollmachten gilt: Die Zeichnung erfolgt in der Regel mit dem Zusatz „i. V.“, der auf die rechtsverbindliche Vertretung hinweist.
Wie jede Vollmacht ist auch die Handlungsvollmacht nicht unbegrenzt gültig. Sie kann auf unterschiedliche Weise enden – etwa automatisch nach Erledigung eines Einzelgeschäfts oder durch aktiven Widerruf im Fall einer langfristig erteilten Vollmacht.
Eine Spezial- oder Einzelvollmacht erlischt automatisch, sobald das damit verknüpfte Geschäft abgeschlossen ist. Es bedarf in diesem Fall keiner zusätzlichen Erklärung oder Dokumentation. Anders verhält es sich bei allgemeinen oder Artvollmachten: Diese können durch aktiven Widerruf des Vollmachtgebers aufgehoben werden. Der Widerruf sollte stets in schriftlicher Form erfolgen und muss klar kommuniziert werden, insbesondere gegenüber externen Geschäftspartnern. Dies ist entscheidend, um einen möglichen Rechtsschein – also den Anschein einer weiterhin bestehenden Vollmacht – und daraus resultierende Haftungsrisiken zu vermeiden.
Weitere Gründe für das Erlöschen der Handlungsvollmacht sind die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Rückgabe einer erteilten Vollmachtsurkunde oder eine Insolvenz des Unternehmens. Auch hier ist Transparenz gegenüber Dritten wichtig, da Geschäftspartner im Vertrauen auf eine bestehende Vollmacht handeln könnten.
Wichtig: Ein Widerruf muss Dritten gegenüber kenntlich gemacht werden, um einen Rechtsschein zu vermeiden.
Die Prokura ist eine besonders weitreichende Form der handelsrechtlichen Vollmacht und in den §§ 48 ff. HGB geregelt. Sie erlaubt es der bevollmächtigten Person, nahezu alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte im Namen des Unternehmens rechtsverbindlich vorzunehmen. Eine Prokura darf ausschließlich durch den Geschäftsinhaber oder das vertretungsberechtigte Organ eines Unternehmens (z. B. die Geschäftsführung bei einer GmbH oder der Vorstand bei einer AG) erteilt werden und muss ins Handelsregister eingetragen werden. Aufgrund ihres umfassenden Umfangs ist sie ein zentrales Instrument in größeren Unternehmen, bei denen Führungskräfte weitreichende Entscheidungskompetenzen benötigen.
Nach § 54 UGB entspricht die Handlungsvollmacht in Österreich weitgehend der deutschen Regelung. Auch hier gilt: Beschränkungen gelten nur, wenn Geschäftspartner sie kannten.
Art. 462 OR: Bevollmächtigte dürfen alle gewöhnlichen Geschäfte tätigen. Darlehen, Wechselgeschäfte und Klagen erfordern eine Spezialermächtigung.
Im angloamerikanischen Raum ist die "special agency" ähnlich der Spezialvollmacht. Der Umfang richtet sich streng nach der schriftlichen Erteilung.
Die Handlungsvollmacht ist ein effizientes Instrument zur Organisation des unternehmerischen Alltags. Sie ermöglicht es, Mitarbeiter rechtsverbindlich in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und entlastet damit die Führungsebene. Klar definierte Vollmachten, dokumentierte Unterschriftenregelungen und eine transparente Kommunikation gegenüber Dritten sind entscheidend für ihre rechtssichere Anwendung. Eine digitale Lösung für die Vertrags- und Vollmachtsverwaltung, wie ContractHero, erleichtert diesen Prozess erheblich: Durch individuell konfigurierbare Nutzerrollen lassen sich Vollmachten gezielt und nachvollziehbar vergeben, sodass Mitarbeitende nur auf jene Verträge und Bereiche Zugriff erhalten, für die sie autorisiert sind. Die strukturierte Ablage spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie ermöglicht es, Vollmachten eindeutig zuzuordnen, Gültigkeitszeiträume im Blick zu behalten und im Bedarfsfall schnell nachzuweisen. Automatisierte Erinnerungen bei Ablaufdaten reduzieren zudem das Risiko abgelaufener oder vergessener Berechtigungen.
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